Montag, 25. März 2013

Brückenradweg 2008



Emsbüren, 23. Juli 2008

Es ist vollbracht! Die Tour der Leiden! Die Regenschlacht! Vom Winde verweht! Galatasaray!
Dies sind nur einige Bezeichnungen bzw. Schlagworte, die die Bedingungen einer Tour umschreiben, mit denen wir es in dieser Form noch nicht zu tun hatten.
304 km sind geradelt, von denen mehr als die Hälfte in strömenden Regen und peitschendem Gegenwind absolviert wurden. Die Protagonisten hatten sich durchaus schon mit dem Gedanken des Abbruchs befasst, doch der Wille zum Weitermachen überwog.
Auch diese Tour hatte ihre schönen Seiten, wie auf den kommenden Seiten zu lesen ist. Zwei Dinge wird es jedoch zukünftig nicht mehr geben: Den Tourbeginn in Hepstedt und ein Tourenverlauf gen Westen.
Doch der Reihe nach.
Der Morgen des 18.Juli bietet wie so oft ein wettertechnisch durchwachsenes Bild. Doch mittlerweile beunruhigt mich diese Tatsache nicht mehr. Um 8.30 Uhr mache ich mich auf den Weg nach Salzbergen, wo ich Frank abhole.
Die ersten Meter horch ich in mich hinein, denn durch den erst seit einer Woche zurückliegenden Muskelfaserriss in meiner rechten Wade erwarte ich doch noch ein Zwicken. Aber relativ schnell wird klar: Alles klar, die Tour kann stattfinden!
Nach ein paar Kilometern kreisen meine Gedanken um das, was uns in den nächsten 4 Tagen erwarten wird. Ein Jahr ist wieder vergangen, die Vorbereitungen für die jetzige Tour sind längst abgeschlossen. Die Vorfreude ist riesengroß.
Bei meinem Drahteselgenossen angekommen, wollen wir auch sogleich weiter. Wir werden von Franks Mutter und seinem Jüngsten verabschiedet, der uns die ersten 100 Meter der  Tour begleitet.
Da wir dieses Mal die Tour praktisch erst ab Hepstedt beginnen, haben wir noch Zeit, die wir mit der Verabschiedung von Franks Frau, dem Besorgen der Zugtickets im Salzbergener Reisebüro und einem reichhaltigen Frühstück im „EX“ nutzen.
Wir steigen schließlich in die Westfalenbahn, die uns nach Osnabrück bringt, wo wir in die Regionalbahn nach Bremen steigen.
Die Fahrt dorthin ist sehr kurzweilig.
In Bremen angekommen machen wir uns nach einem Anruf bei unseren Gastgebern auf den Weg nach Lilienthal, wo uns das im Umbau befindliche Gymnasium gezeigt wird. Die letzten 15km des Tages (30km) werden bei Regen absolviert.
Die Ankunft wird uns zusätzlich durch den Umstand versüßt, dass der Tisch bereits gedeckt und zu selbigen gebeten wird, wobei wir uns nicht lange bitten lassen!
Im Anschluss zeigt uns Hermann ein Projekt, an welchem er mit einer Gruppe Hepstedter 4 Jahre lang gearbeitet hat.

Am Morgen des 19. Juli verlassen wir unsere Gastgeber gegen 9.30 Uhr.

Der Wetterbericht verheißt nichts Gutes, doch bei unserer Abfahrt ist es zumindest trocken.
Wir befahren wie in jedem Jahr den Jan Reiners Weg. Erwähnenswert ist, dass die historische Eisenbahnbrücke in Lilienthal, wie bereits im vergangenen Jahr, gesperrt ist, doch die Umleitung ist uns ja bereits bekannt. Hinter Lilienthal machen wir uns dann das erste Mal „wetterfest“.
Im Innenstadtbereich von Bremen passieren wir dann zum ersten Mal neues Terrain während dieser Tour. In Neustadt verfahren wir uns dann auch prompt. Wir stehen unmittelbar vor dem Flughafen und drehen kurzerhand wieder um.
Der Brückenradweg nutzt im Bremer Umland den Grünen Ring als Streckenführung, welcher uns trotz des schlechten Wetters sehr gut gefällt.
Hinter Stuhr werden wir erstmals richtig nass. Wir beschließen die nächste Gaststätte zur Einkehr für eine Stärkung zu nutzen. Zuvor passieren wir Heiligenrode und seine sehenswerte Wassermühle, der wir,


Wassermühle
wenn auch zufällig, einen kurzen Besuch abstatten.
Schließlich erreichen wir den Meyerhof (www.meyerhof-heiligenrode.de) und lechzen nach einer angemessenen Stärkung.
Die Entscheidung für das Tages menü fällt uns leicht. Es gibt Kohlrouladen, die uns vorzüglich munden. Natürlich wird vor der Weiterfahrt noch einmal das Kartenmaterial zur Hand genommen. Dann geht es weiter.
Als kurz vor Dünsen im Forst der Regen wieder mit aller Stärke einsetzt, steigen wir vom Rad, um unter den Buchen halbwegs Schutz zu suchen. Nach zwanzig Minuten kann es weiter gehen.
Harpstedt, während unserer Geestweg - Radtour im Jahre 2006 schon einmal Zwischenstopp, erwartet uns mit seiner in den Auen gelegenen „Ozean - Brücke“, die eine Länge von ca. 150m hat.

Als wir die Schutzhütte am Ende der Brücke für eine kurze Rast und zum Telefonieren nutzen, bricht ein Unwetter biblischen Ausmaßes los. Nach ca. einer halben Stunde bleibt uns keine andere Wahl, wir müssen da durch!!!
Was dann folgt, haben wir noch nicht erlebt! Es gießt derart stark, dass der Regen auf der Straße Blasen wirft, so dass wir glauben, Aquaplaning zu erleiden!
Landpartie
Schließlich lässt der Regen nach und wir machen eine weitere Rast, auch um aus den nassen Sachen heraus zu kommen.
Mittlerweile hat der über den ganzen Tag verteilte, teils starke, andauernde Regen dafür gesorgt, dass unsere Kleidung durchnässt ist, wie man auch am nächsten Foto sehr gut erkennen kann. So langsam könnte unsere Tagesetappe sich dem Ende zuneigen!
Wie ich schon ganz treffend vermutet habe, kommt ca. 10km vor dem heutigen Etappenziel die Sonne noch heraus, was ich wirklich wie Hohn und Spott empfinde.

Das haben wir nun wirklich nicht verdient! Nun denn, auf der sprichwörtlich „letzten Rille“ fahren wir in den Ort Goldenstedt hinein und können ob der Strapazen, die wir heute erlebten kaum fassen, als wir mit dem
tatsächlich unser Etappenziel erreichen.
"Ozeanbrücke"
Wir werden von unserem Gastgeber sehr freundlich aufgenommen, dürfen unsere Räder auf dem Saal parken, und beziehen dann unser Zimmer.
Jetzt eine heiße Dusche! Schließlich speisen wir unten in der Gaststube und benötigen die zwei Bierchen eigentlich gar nicht mehr für die nötige Bettschwere.
In Goldenstedt
Auf unserem Zimmer angekommen, wird zuerst der Fernseher eingeschaltet. Als ich aus dem Bad komme, ist Frank bereits eingeschlafen. „Der ist ja ganz schön fertig“ denke ich noch so bei mir, als ich mich aufs Bett lege und nach zwei Minuten ebenfalls schlafe!
 Der 20.Juli beginnt vielversprechend, denn beim Blick aus dem Fenster scheint tatsächlich die Sonne. Dennoch bleibe ich äußerst skeptisch, denn ich will nicht so recht glauben, dass uns das Wetter keinen Strich durch die Rechnung macht. Frank stören diese Gedankengänge nicht, er schläft noch den Schlaf des Gerechten!
Nach einem in diesem Falle wirklich stärkenden und reichhaltigem Frühstück begeben wir uns wieder auf den Pfad, nicht jedoch ohne uns beim Wirt herzlich zu bedanken und ihm das Versprechen zu geben, die „Gaststuben“ weiter zu empfehlen.
Der Morgen ist vielversprechend und meint es ehrlich gut mit uns. Die Müdigkeit des gestrigen Abends ist verschwunden und die „Fuhre“ rollt wieder.
Endlich werden nicht nur die Sonnenstrahlen genossen, auch ein gepflegtes Gespräch ist aufgrund der gemäßigten Bedingungen wieder drin.
Unser Weg führt durch ausgedehnte Moorgebiete, dann passieren wir

Vechta– kurz es läuft wieder so, wie wir es in den vergangenen Jahren auch gewohnt waren.
Schutz vor Regen
Zwischen Vechta und Lohne beschließen wir an einer Schutzhütte zu rasten– diesen Gedanken hatten auch andere– eine Dorfgemeinschaft plant dort heute zu grillen. Das ältere Ehepaar, welches dort Wache hält, will sich von Frank nicht überzeugen lassen, dass wir auch eingeladen sind, vor allem nicht die Ehefrau. Und so müssen wir uns hungrig wieder auf den Weg machen.
Hinter Lohne zieht sich der Himmel immer  mehr zu. Da nur ein Schauer zu erwarten ist , wird eine Schutzhütte angesteuert.
Dort stößt eine Niederländerin zu uns, die den Brückenradweg in anderer Richtung befährt und zwar alleine.  Da sie heute noch bis Goldenstedt fahren möchte, lösen wir unser Versprechen ein und empfehlen ihr wärmstens die Ratsstuben, die sie auch anfahren wird.
Gegen Mittag kommen wir durch Steinfeld (Oldenburg). Da wir es hinter Steinfeld mit den Dammer Bergen zu tun bekommen, beschließen wir hier zu

Mittag zu essen.
Erwähnenswert bleibt, dass während unserer Rast ein zweiter, längerer Schauer niedergeht. Es soll, soviel sei verraten, der letzte des Tages gewesen sein.
Kalkriese- Am Ort der "Varus-Schlacht"
Die Anstiege, die nun hinter Steinfeld folgen, haben es in sich (es behaupte keiner, die Dammer Berge seien nur eine unbedeutende Hügelkette). Immer wieder müssen wir in den ersten Gang zurückschalten und uns und unser Gepäck nach oben wuchten. Meine Wade spüre ich dabei kaum, nur mit dem Laufen will es noch nicht so recht klappen.
Die Abfahrt ist die reine Wohltat und schließlich sind die Strapazen vergessen.
Als wir Damme passiert haben, bemerken wir, dass unser Tagesziel nicht mehr weit entfernt ist.
Eine Rast wird am Schloss Alt Barenaue eingelegt, dann überqueren wir den Mittellandkanal, der am morgigen Tage unser stetiger Begleiter sein wird. Wir erreichen unser Tagesziel, die „Varus-Deele“ und richten uns ein.
Abends machen wir einen Spaziergang zum Museum  und Park Kalkriese (das mit dem Laufen klappt mittlerweile ganz gut).
Unsere Unterkunft ist wieder mal apartmentmäßig. Wohnzimmer, Schlafzimmer, Bad und Flur um die Räder abzustellen, kurz– Platz satt!
Der heutige Abend ist gemütlich, nichts von der gestrigen Übermüdungzu spüren. Rückblickend betrachtet war dieser Tag der schönste, warum wird im Folgenden deutlich. 
Unsere Unterkunft
Der 21.Juli  bricht an und der erste Blick geht aus dem Fenster hinaus. Was ich dort erblicke, sieht wahrlich nicht sehr vielversprechend aus. Tiefhängende Wolken und ein starker Westwind, wie ich an den sich biegenden Bäumen erkennen kann verheißen für heute bestimmt Schwerstarbeit.

Zunächst einmal frühstücken wir sehr ausgiebig und als wir unsere „Pferde satteln“ hat es bereits zu regnen angefangen. Zwar ist das heute zu absolvierende Tagespensum das geringste der gesamten Tour, doch geht es stetig gen Westen. Als wir hinter
der Brücke abbiegen und entlang des Mittellandkanals fahren peitscht uns der Wind und Regen ins Gesicht. Prima, und das jetzt volle 50km!
Bei der Planung der diesjährigen Tour sah ich den Vorteil, den Mittellandkanal als Streckenabschnitt zu nutzen, darin den direktesten Weg gen Heimat zu befahren. 
Wenn jedoch die äusseren Umstände derart schlecht sind, zieht sich das Ganze!



Die wassergebundenen Wege sind eine prima Angelegenheit, vorausgesetzt sie sind nicht nass. Denn zumindest mein Fahrrad sah dementsprechend aus, ich übrigens auch.
Regen, Regen, Regen...
Ein weiterer Nachteil an der Streckenführung des letzten Tages ist, dass wir kaum ausmachen können, wo wir gerade sind, da uns Kartenmaterial fehlt und das Navi mittlerweile gut verpackt ist, damit es nicht nass wird.
Zwischenzeitlich muss die Kleidung gewechselt werden, da dieser feine Dauerregen alles durchdringt.
Wir halten unter einer Brücke und hadern mit unserem Schicksal, was wir doch alles durchmachen müssen und das uns hinterher niemand sein Leid klagen kann einmal bei einer Fahrradtour nass geworden zu sein, darauf haben wir die Exklusivrechte, jawoll!!
Und auch Stolz mischt sich darunter, denn viele hätten wahrscheinlich längst schon aufgegeben, wir jedoch haben heute noch geschworen: „Was auch kommt, wir fahren die Tour zu Ende!“
Und was da alles kommt! Oder besser:
Was einfach nicht aufhören will!
Irgendwann um die Mittagszeit melden sich unsere Blutzuckerspiegel mit Gewalt– wir müssen was essen. Wir suchen eine Gaststätte auf, die sich unmittelbar an unserer Strecke befindet. „Heute geschlossen!“ lesen wir und fragen einen Hundebesitzer, der sein Tier doch tatsächlich bei einer solchen Witterung spazieren führt– letztlich schickt er uns in Richtung Recke, angeblich in 5-10 Minuten zu erreichen. Wir fahren jedoch noch weitere 20 Minuten bis wir den Ortsrand und die empfohlene Gaststätte erreichen, die ebenfalls  heute geschlossen hat.
"Das interessiert keinen, bei welchen Bedingungen wir fahren müssen"!
Im Ortskern von Recke finden wir eine „Grillmasterbude“, die um diese Tageszeit sehr gut besucht ist. Wir finden ein Plätzchen und können uns wärmen und sättigen, was will man mehr?! 
Als wir der Meinung sind, dass es weitergehen kann, durchqueren wir den Ort, bis wir wieder auf den Mittellandkanal stoßen. Die weitere Fahrt gestaltet sich u.a. so, das wir die Kilometrierung an den vielen Brücken herunter zählen, die in Bergeshövede, wo Mittellandkanal und Dortmund Ems Kanal aufeinander treffen nullt.
Als wir schließlich dort ankommen, ist das schon fast wie ein kleiner Sieg.
Unter der alten Fahrradbrücke, die über den Dortmund Ems Kanal führt, machen wir erst einmal eine kleine Foto– und Getränkepause.
Der Weg entlang des Dortmund-Ems- Kanals zieht und zieht sich, jedenfalls für mich. Ich merke, dass es langsam Zeit wird nach Hause zu kommen, da ich das Gefühl habe, dass meine Kräfte mehr und mehr schwinden.
Irgendwann jedoch bekomme ich wieder Aufwind, denn als wir den D-E-K verlassen, befinden wir uns schon in Holsterfeld. So langsam merken wir jetzt beide, das sich die Tour dem Ende zuneigt, das Wetter übrigens auch, denn es scheint die Sonne.
Während die letzten Kilometer unter die Räder genommen werden, lassen wir die vergangenen vier Tage noch einmal Revue passieren. Solch widrige Bedingungen haben wir bisher noch nicht erlebt. Mein Tacho zeigt, dass wir insgesamt einen Schnitt von fast 19km/h gehalten haben. Ich denke, ohne uns zu sehr loben zu wollen: „Hut ab!“
Fast geschafft
Komischerweise kommen unsere letzten Kilometer immer einem Auslaufen gleich– man schaltet im doppeltem Sinne einen Gang zurück und alles ist leicht, die Anspannung löst sich. Gleichzeitig freut man sich auf zuhause und die Seinen, mit denen man es ja tagtäglich zu tun hat und die jetzt 4 Tage  ohne den Ernährer auskommen mussten, und das, denke ich, auch ganz gut einmal. 
4Tage sind zurückblickend auch aus meiner  Sicht genau das richtige Maß, um eine Tour in diesem Format zu absolvieren.

Als wir bei Frank auf den Hof biegen, werden wir freudig begrüßt. Wir trinken erst einmal eine schöne Tasse heißen Kaffee und müssen berichten, wie es gewesen ist. Nach einer halben Stunde kribbelt es mir aber auch in den Füßen, ich will nach Hause. Ich verabschiede mich und bestreite die letzten 8 km wie die ersten, alleine. Und dabei ertappe ich mich, wie ich mir schon Gedanken über das nächste Jahr mache.
 

























 

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